THEODOR KRAMER (1897 Niederhollabrunn – Wien 1958)
BEIM ZERSCHELLEN DER KASTANIEN
Einsinken seit Tagen die Bohnen
am Zaun und der Herbstregen rinnt;
sacht geht in den schlissigen Kronen
der alten Kastanien der Wind.
Es kochen zu Morgen die Strahlen
den Dunst und durchs Laub geht ein Zerrn;
dumpf bersten die stachligen Schalen
ins Gras springt der glänzende Kern.
Gemäht stehn die Wiesen und Felder,
bleich hocken die Mandeln im Rund;
der Herbstrauch tritt blau vor die Wälder,
die Kipfler nur ruhn noch im Grund.
Das Rieseln zerreißt, es bemalen
die Strahlen das Land nah und fern,
bemalen die stachligen Schalen
im Gras und den scheckigen Kern.
Es birst nur aus mir so im Milden,
so herbstlich schon steht mir die Zeit;
ich bin – viel noch hätt ich zu bilden –
benommen zu schwinden bereit.
Klopft's aber ins Gras, wann die Strahlen
verdunsten, so wüßt ich noch gern:
was sind nun die stachligen Schalen,
mein Lied, was der glänzende Kern?
(Quelle: Theodor Kramer / Spätes Lied / Gedichte / München-Wien 1996, S. 32)
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